Für Gatekeeper wird es ernst

20.03.2023

Für Gatekeeper wird es ernst

Andreas Schwab für den Themennewsletter zum Digitalrecht

Beitrag von Dr. Andreas Schwab

Mit dem „Gesetz über digitale Märkte“ (Digital Markets Act, DMA) beschreitet die EU weltweit Neuland in der Regulierung der Digitalwirtschaft. Der DMA regelt die Marktmechanismen, mit denen große Digitalunternehmen (sog. „Gatekeeper“) an zentralen Knotenpunkten innerhalb ihrer Tech-Ökosysteme zwischen Endnutzern und Unternehmen vermitteln. Nach teilweise mehr als zehn Jahre dauernden wettbewerbsrechtlichen Verfahren greift die EU durch und sorgt damit für Fairness und mehr Wettbewerb in der Digitalwirtschaft.

Anwendungsbeginn des DMA steht bevor

Seit dem 1. November 2022 ist der DMA in Kraft und wird in ungefähr zwei Monaten Anwendung finden. Dann müssen die Gatekeeper ihre „zentralen Plattformdienste“, die in den Anwendungsbereich des DMA fallen, an die Kommission melden. Dabei gilt der DMA nur für große Gatekeeper mit mindestens 7,5 Mrd. EUR Jahresumsatz und auch nur für deren größte zentrale Plattformdienste, die zwischen mindestens 45 Millionen monatlichen Endnutzern und 10.000 Geschäftskunden vermitteln.

Ziel: Defizite des klassischen Wettbewerbsrechts beseitigen

Der DMA schafft über 20 neue Regeln für Gatekeeper-Dienste. Viele der Vorschriften des DMA sind an kartellrechtliche Verfahren gegen große Digitalunternehmen angelehnt. Anders als im Wettbewerbsrecht wird der relevante Markt aber nicht durch ökonomische Kriterien abgegrenzt. Stattdessen werden zehn relevante Dienste definiert, die lediglich die zwei oben genannten „Gatekeeper-Kriterien“ (Umsatz und Nutzerzahlen) erfüllen müssen. Davon betroffen sind bspw. Cloud-Computing, Webbrowser, Messaging-Dienste oder soziale Netzwerke. Gatekeeper müssen die Regeleinhaltung gegenüber der Europäischen Kommission nachweisen, wodurch lange Verfahrensdauern wie im klassischen Wettbewerbsrecht vermieden werden. Außerdem können Unternehmen und Verbraucher ihre Rechte direkt vor Gericht durchsetzen.

Durchsetzung durch die Europäische Kommission

Mit dem DMA wird die Europäische Kommission zum ersten Mal ermächtigt, die Regeln für den digitalen Binnenmarkt direkt durchzusetzen. Dabei kann sie von den nationalen Wettbewerbsbehörden unterstützt werden, aber nur die Kommission kann Verfahren zum Abschluss bringen.

Konkretisierung der abstrakten Vorgaben erforderlich

Die Regeln des DMA adressieren, vereinfacht ausgedrückt, drei Arten wettbewerbsschädlicher Verhaltensweisen: unfaire Selbstbevorzugung, Interessenskonflikte und die Ausnutzung umfassenden Zugangs zu Daten von Nutzern und Geschäftskunden zum Nachteil konkurrierender Unternehmen. Viele der Vorschriften sind auf mehrere unterschiedliche Dienste anwendbar und abstrakt gehalten. Die Kommission muss darum eine klare Vorstellung davon haben, was sie unter den jeweiligen Vorgaben versteht, bevor sie sich an die Durchsetzung macht. Beispielsweise müssen App-Stores, soziale Netzwerke und Suchmaschinen künftig „faire, zumutbare und diskriminierungsfreie“ („FRAND“) Zugangsbedingungen gewähren, was je nach zentralem Plattformdienst und Geschäftsmodell des Gatekeepers unterschiedlich ausgelegt werden kann.

Erste Durchführungsverordnung zum DMA

Die betroffenen Gatekeeper müssen den Verpflichtungen des DMA erst ab März 2024 vollumfänglich nachkommen. Dann muss die Kommission bereit sein, jeden Aspekt der Verordnung zu prüfen. Einen ersten Schritt hat sie kürzlich mit der Veröffentlichung ihres Entwurfs für eine Durchführungsverordnung getan, die die Details der Verfahrensvorschriften festlegt. In jedem Falle gilt: Die Kommission hat vom Gesetzgeber alle notwendigen Instrumente erhalten, um für mehr Offenheit und Wettbewerb in der europäischen Digitalwirtschaft zu sorgen. Sie muss sie nun mit Nachdruck durchsetzen.


Dr. Andreas Schwab, MdEP, ist Rechtsanwalt und binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Er war der Berichterstatter des Europäischen Parlaments für den Digital Markets Act sowie für weitere Schlüsselgesetzgebungsverfahren. Dr. Schwab wirkt am Nomos Handkommentar zum DMA mit, der in Kürze erscheint.