Template-Entwurf für Compliance Reports der Gatekeeper veröffentlicht

20.06.2023

Template-Entwurf für Compliance Reports der Gatekeeper veröffentlicht

Dr. Schmidt und Dr. Hübener schreiben den Gastbeitrag für unseren Praxis-Newsletter Digitalrecht

Beitrag von Dr. Jens Peter Schmidt und Dr. Fabian Hübener

Der Ende letzten Jahres in Kraft getretene „Digital Markets Act“ (DMA) stellt einen Meilenstein des Unionsgesetzgebers im Bereich der Digitalwirtschaft dar. Der DMA adressiert die großen Anbieter von sog. zentralen Plattformdiensten, also solchen Diensten, die einen essenziellen Kontakt zwischen gewerblichen Nutzern und Endnutzern vermitteln (zB über App-Stores, Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Kommunikationsdienste). Werden Anbieter anhand objektiver Parameter von der Europäischen Kommission als Gatekeeper benannt, sind sie zukünftig bestimmten Verhaltenspflichten unterworfen. Im Ergebnis greifen für diese Gatekeeper dann strengere Wettbewerbsregeln auf digitalen Märkten.

Template für Compliance Reports in Vorbereitung

Die Europäische Kommission wird bis Anfang September die Gatekeeper benennen. Kürzlich hat sie außerdem eine Evaluierung zu einem von ihr entworfenen Template eingeleitet, das Gatekeeper bei der Ausarbeitung der nach dem DMA notwendigen Compliance Reports beachten müssen.

Interessierte Parteien – das heißt: nicht nur die Gatekeeper, sondern gerade auch gewerbliche und private Nutzer der Dienste der Gatekeeper – haben nun bis zum 5. Juli Zeit, um zu dem Entwurf Stellung zu nehmen.

Hintergrund

Die Pflichten, die der DMA den Gatekeepern auferlegt, sollen bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor gewährleisten. Der DMA sieht vor, dass die Gatekeeper die Einhaltung dieser Pflichten nicht nur sicherstellen, sondern deren Einhaltung auch nachweisen. Insoweit werden die Compliance Reports eine bedeutende Rolle spielen: Denn mindestens einmal jährlich muss der Gatekeeper einen Bericht anfertigen, der die ergriffenen Maßnahmen ausführlich und transparent beschreibt. Zudem werden Dritte die Gelegenheit haben, eine nichtvertrauliche Fassung der Compliance Reports einzusehen.

Zweck und Inhalt des Templates

Das geplante Template der Europäischen Kommission spezifiziert die Anforderungen an diese Compliance Reports. Es wird daher zur Vereinheitlichung der Reports der verschiedenen Gatekeeper beitragen und idealerweise gewährleisten, dass ausreichend Informationen bereitgestellt werden, um die Einhaltung der Verhaltenspflichten wirksam überprüfen zu können. Die Europäische Kommission behält sich vor, das Template im Laufe der Zeit weiter anzupassen und kann – soweit zur Überprüfung der Einhaltung der Verhaltenspflichten erforderlich – auch darüber hinaus weitere spezifische Informationen abfragen.

Nach jetzigem Stand unterteilt sich das Template in fünf Abschnitte. Neben formalen Angaben zum Unternehmen (Abschnitt 1) und der einzuführenden Compliance-Funktion (Abschnitt 3) ist auch eine nichtvertrauliche Fassung (Abschnitt 4) sowie eine Erklärung vorzulegen, dass der Compliance Report wahrheitsgemäß, richtig und vollständig ist (Abschnitt 5).

Der Schwerpunkt liegt jedoch auf Abschnitt 2, der einen extensiven Fragenkatalog zu den Details der durchgeführten Maßnahmen vorsieht. So ist genau mitzuteilen, wann und mit welchen technischen Mitteln welche Maßnahmen auf welchen Märkten ergriffen wurden und welche Auswirkungen diese hatten.

Evaluierungsprozess

Mit der eingeleiteten Evaluierung möchte die Europäische Kommission insbesondere Feedback zu zwei Punkten erhalten: Was sind geeignete Indikatoren, anhand derer die Europäische Kommission effektiv überprüfen kann, ob die von den Gatekeepern ergriffenen Maßnahmen wirksam sind, um die Einhaltung ihrer Verpflichtungen unter dem DMA zu gewährleisten? Zum anderen will die Europäische Kommission wissen, was die Anforderungen an Inhalt und Aufmachung der nichtvertraulichen Fassung der Reports sein sollten, damit Dritte die Einhaltung der Verpflichtungen durch die Gatekeeper ebenfalls effektiv überprüfen und der Europäischen Kommission Hinweise zu etwaigen Unzulänglichkeiten liefern können.

Bewertung und Ausblick

Das Template ist von dem – den DMA insgesamt prägenden – Gedanken geleitet, die Compliance in die Verantwortung des Gatekeepers zu legen. Dabei laden die Fragen im Abschnitt 2 Gatekeeper dazu ein, der Europäischen Kommission lange und technische Ausführungen zu präsentieren. Das wirft die Frage auf, inwieweit die Europäische Kommission in Zukunft gewillt sein wird, mit den Gatekeepern zu verhandeln, ob und inwieweit einzelne Verhaltenspflichten tatsächlich als erfüllt anzusehen sind. Dies könnte sehr ressourcenintensive und zeitaufwendige Prozesse erforderlich machen, was im Grundsatz nicht mit der Zielsetzung des DMA in Einklang stehen würde.

Dessen ungeachtet ist das Template für die effektive Durchsetzung des DMA in der Praxis nicht zu unterschätzen. Dritte werden ein großes Interesse daran haben, dass Gatekeeper angehalten werden, die Inhalte der Reports möglichst umfassend zu veröffentlichen, um besser überprüfen zu können, ob Gatekeeper die zahlreichen, unmittelbar geltenden („self-executing“) Verpflichtungen auch tatsächlich einhalten – und, wenn nicht, welche Wege beschritten werden können, um die eigenen Rechte zu schützen. Die Reports werden daher nicht nur für die Arbeit der Europäischen Kommission, sondern auch für die private Rechtsdurchsetzung ein wichtiger Grundpfeiler sein.

Die Autoren sind Partner bzw. Associated Partner der Kanzlei NOERR in Brüssel und beraten dort u.a. zum europäischen und deutschen Kartellrecht. Sie geben im Nomos Verlag den Anfang des Jahres veröffentlichten Einführungsband „Das neue Recht der digitalen Märkte“ heraus, dessen erweiterte und aktualisierte Fassung in Kürze in englischer Sprache als Teil der Kooperationsreihe der Verlage Nomos, C.H.Beck und Hart Publishing erscheint.