UEFA EURO 2024 – Begrenzte Transparenz nur auf Anfrage

30.10.2023

UEFA EURO 2024 – Begrenzte Transparenz nur auf Anfrage

Sportrecht_Höfling

Beitrag von Lukas Höfling

Trotz sportlich enttäuschender Leistungen der deutschen Nationalmannschaft in jüngerer Zeit belegte der große Ticketandrang Anfang Oktober die Vorfreude der Fans auf die UEFA EURO 2024:  3,1 Mio. Ticketanfragen nach drei Stunden Vorverkauf. Damit zeigt sich erneut die enorme Strahlkraft solcher Sportgroßveranstaltungen. Doch trotz der medialen Aufmerksamkeit, die diesen Megaevents zuteilwird, werden die mit ihrer Austragung verbundenen komplexen Rechtsfragen bis heute nicht hinreichend erörtert.

Ein komplexes Multiakteursarrangement

Befasst man sich mit den Ausrichtungsverträgen zu Sportgroßereignissen, fällt schnell der Begriff „Host City Contract“. Er verleitet zu der Fehlvorstellung, dass der Ausrichtung ein einzelner umfassender Vertrag zugrunde läge. Im Regelfall trifft dies nicht zu. Normative Basis ist vielmehr eine Vielzahl komplexer, ineinander verflochtener Verträge und Garantien sowie sonstiger einseitiger Zusagen.

 

Ein Blick auf „den“ Host City Contract zur UEFA EURO 2024 macht deutlich, dass neben der UEFA als Inhaberin der Rechte an der UEFA EURO und der DFB als „offizieller Ausrichter“ der Veranstaltung die Ausrichtungsstädte, dortige Stakeholder wie Flughafen- oder Stadionbetreiber sowie die Bundesregierung Vertragsparteien der zahlreichen Kontrakte sind. Die jeweiligen Verträge verfolgen im Wesentlichen ein gemeinsames Ziel: die kommerzielle Verwertung und Finanzierung der Veranstaltung. Hierzu werden einerseits Rahmenbedingungen geschaffen und andererseits die konkrete Verwertung zum Teil minutiös geregelt.

Weitestgehend starre Vorgaben für Hoheitsträger

Die UEFA bedient sich hierfür Musterverträge und -garantien, die infolge des regelmäßig bestehenden Wettbewerbsdrucks bei der Vergabe der EURO weniger einen Vorschlag als vielmehr unverhandelbare Vorgaben darstellen. Die öffentlich-rechtlichen Vertragsparteien werden gerade in ihrer Hoheitsträgereigenschaft verpflichtet, notfalls mit administrativen oder legislativen Mitteln sicherzustellen, dass von der UEFA gewünschte Rahmenbedingungen allgemeinverbindliche Wirkung entfalten. Die diktierten Bedingungen betreffen somit vielfach nicht nur die jeweiligen Vertragspartner, sondern können bei ihrer Umsetzung auch ökonomisch bedeutsame Auswirkungen auf Dritte haben. In diesem Zusammenhang sind Werbebeschränkungen in den Austragungsstädten und Beschränkungen der Tätigkeit von Bestandsunternehmen im Umkreis der UEFA-Veranstaltungen zu nennen. Damit drängen sich Fragen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit derartiger drittbelastender Vertragsbeziehungen und -verpflichtungen geradezu auf.

Verbandlich begrenzte Transparenz

Dass diese rechtlich höchst problematischen Vertragsbeziehungen nicht nur in der öffentlichen Debatte, sondern auch in der rechtswissenschaftlichen Diskussion gleichwohl weitestgehend vernachlässigt werden, ist nicht zuletzt auf rechtstatsächliche Erkenntnislücken zurückzuführen, denn es bestehen nach wie vor manifeste Transparenzdefizite. Zwar veröffentlicht die UEFA mittlerweile selbst einen nicht unerheblichen Teil ihrer Musterbedingungen und Anforderungen. Die überwiegenden Teile des Vertragskomplexes werden jedoch weiterhin geheim gehalten.

 

Dies gilt auch für die von den öffentlich-rechtlichen Akteuren unterzeichneten Verträge. Bezüglich deren Veröffentlichung dürfte man die jeweiligen Hoheitsträger in der Pflicht sehen. Sie nehmen Initiativveröffentlichungen indes unter Verweis auf Geheimhaltungsverpflichtungen bislang allenfalls teilweise vor. Der Staat trägt also ebenfalls nur sehr zögerlich zu der gebotenen Transparenz bei – trotz der zweifelsohne großen gesellschaftspolitischen Bedeutung dieser Verträge und ihrer wirtschaftlichen Folgekosten für die Steuerzahler.

 

Auch wer sich mittels transparenzrechtlicher Anspruchsgrundlagen Zugang zu den Verträgen zu verschaffen versucht, benötigt vielfach Ausdauer: Überfristungen, langwierige Diskussionen und teilweise auch veranschlagte Gebühren in nennenswerter Höhe erschweren die Durchsetzung. Dass nach wie vor Bundesländer nicht einmal über Transparenzgesetze verfügen, die Einsichtsansprüche vermitteln, verwundert vor diesem Hintergrund nicht.

Fazit: Transparenzgebot für öffentlich-rechtliches Handeln

Es zeigt sich: Der Staat ist zur initiativen Transparenz angehalten. Nur so kann eine ernsthafte und breitgefächerte rechtswissenschaftliche Diskussion zu diesem Thema entstehen und Rechenschaftserwägungen Genüge getan werden.

Immerhin ist ein Schritt in die richtige Richtung zu verzeichnen: Nachdem man die seitens der Bundesregierung im Rahmen des Host City Contract der UEFA EURO 2024 abgegebenen Garantien bis Anfang September noch mittels Einsichtsantrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz anfordern musste, sind sie seit dem 04.09.2023 nun auf der Webseite des Bundesministeriums des Innern und für Heimat abrufbar. Ein gesellschaftlicher sowie rechtswissenschaftlicher Diskurs dazu wäre jedoch insbesondere im Vorfeld der Unterzeichnung wünschenswert gewesen und sollte in Zukunft angestrebt werden.


Der Autor ist Rechtsreferendar am Landgericht Aachen. Seine Dissertation mit dem Titel „Host City Contracts auf dem Prüfstand der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle: Die Anwendbarkeit des Art. 102 AEUV auf die Ausrichtungsverträge zur UEFA EURO 2024 und zu den Olympischen Spielen 2024“ wird Ende 2023 im Nomos Verlag erscheinen.