BGH bestätigt rechtmäßige Abberufung von Martin Kind als Hannover 96-Geschäftsführer

29.08.2024

BGH bestätigt rechtmäßige Abberufung von Martin Kind als Hannover 96-Geschäftsführer

Von Dr. Patrick Stadtbäumer und Julian Baldus

Mit dem abschließenden Urteil (BGH v. 16.7.2024 – II ZR 71/23) im Streit um die Abberufung von Kind endet die 16- jährige Amtszeit eines der wohl lautstärksten Kritikers der 50+1-Regel als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH. Der BGH bestätigt damit letztinstanzlich den Abberufungsbeschluss des Alleingesellschafters Hannover 96 e.V. und hob das Berufungsurteil auf, nachdem beide Vorinstanzen die Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses festgestellt hatten.

Keine Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses

Kind führte auch im Revisionsverfahren die Nichtigkeit des Beschlusses über seine Abberufung an. Der BGH bestätigte jedoch dessen Wirksamkeit und hat die Klage von Kind nun endgültig abgewiesen. Der Auffassung des Berufungsgerichts, die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses resultiere entsprechend § 241 Nr. 3 AktG aus der Unvereinbarkeit mit dem Wesen der GmbH, folgt der BGH nicht. Eine Nichtigkeit erfordere die Verletzung tragender Strukturprinzipien des GmbH-Rechts (wie bspw. ein Verstoß gegen das Mehrheitsprinzip). Das Wesen der GmbH wird durch das GmbHG und die abstrakt- generellen Strukturmerkmale des GmbH Rechts bestimmt und steht folgerichtig damit nicht zur Disposition der Gesellschafter. Weder die nach der Satzung der Hannover 96 Management GmbH eingeräumte Abberufungskompetenz des Aufsichtsrates noch Regelungen des sog. Hannover 96 Vertrages seien als tragende Strukturprinzipien des GmbH-Rechts zu bewerten. Insbesondere mit Blick auf den (streitbaren) Hannover 96-Vertrag müsse eine strikte Trennung der korporations- und schuldrechtlichen Ebene erfolgen. Eine Verletzung eines solchen Stimmbindungsvertrages sei folgerichtig zwischen den jeweiligen Beteiligten und nicht mit der Gesellschaft zu klären. Konsequenterweise folgt eine Nichtigkeit auch nicht aus der entsprechenden Anwendung von § 241 Nr. 4 AktG. Sittenwidrigkeit in diesem Sinne erfordere, dass der Beschluss „für sich allein betrachtet“ gegen die guten Sitten verstoßen muss. Hierfür bedarf es einer besonderen Verwerflichkeit bzw. Drittschädigung. Der BGH sieht jedoch im Verschulden einer Satzungs- und/oder Pflichtverletzung keine solche sittenwidrige Schädigung. Ein bloßer Verstoß gegen eine Satzungsbestimmung könne zwar die Anfechtbarkeit, nicht aber eine Sittenwidrigkeit begründen. Aufgrund seiner fehlenden Gesellschafterstellung fehle Kind auch die für eine Anfechtungsklage erforderliche Anfechtungsberechtigung. Insoweit sei ein Geschäftsführer, anders als ein Vorstand einer Aktiengesellschaft (§ 245 Nr. 4 AktG), nicht zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen berechtigt. Folgerichtig konnte Kind nach Auffassung des BGH auch nicht im Wege der allgemeinen Feststellungsklage Rechtsschutz erlangen, da Geschäftsführer nur gegen nichtige, nicht aber bloß anfechtbare Gesellschafterbeschlüsse vorgehen können. Ebenso konnte der Einwand der Figur der „zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung“ nicht verfangen. Nichtigkeit setze voraus, dass ein von der
Satzung abweichender rechtlicher Zustand begründet würde, wenn die für die Satzungsänderung geltenden Formvorschriften nicht eingehalten werden. Ein unter Missachtung der in der Satzung festgelegten Kompetenzordnung gefasster Abberufungsbeschluss berühre jedoch nicht die schützenswerten Interessen des Rechtsverkehrs, da ein solcher Beschluss nicht die für die Satzungsänderung geltenden Formvorschriften einhalten müsse.

Never Ending Story? Dauerbrenner Hannover 96 vs. „50+1“ bleibt bestehen!

Aus juristischer Sicht hat der BGH mit diesem Urteil nicht nur die Auswirkungen von schuldrechtlichen Nebenvereinbarungen (wie bspw. Stimmbindungsverträgen) auf die Beschlussfassung, sondern auch die Behandlung satzungsdurchbrechender Beschlüsse (vorerst) beantwortet. In tatsächlicher Hinsicht bleibt mit Spannung abzuwarten, welche Konsequenzen die DFL sowie das Bundeskartellamt mit Blick auf die 50+1-Regel ziehen werden, zumal der BGH pflichtgemäß nur die gesellschaftsrechtlichen Fragen entschied, daraus folgende Implikationen für die 50+1 Regel jedoch außer Betracht und unerwähnt ließ. Aus Sicht der Verfasser sind die gesellschaftsrechtlichen Regelungen innerhalb der Gesellschaftsstruktur von Hannover 96 weiterhin nur schwer mit der 50+1-Regel in Einklang zu bringen. Mit Interesse wird auch zu verfolgen sein, wer die Nachfolge von Kind als Geschäftsführer antreten wird. Aktuell ist im Handelsregister kein Nachfolger eingetragen und die Gesellschaft damit führungslos.Trotz seiner Abberufung bleibt Kind im Hintergrund weiter entscheidend beteiligt, da er in den Aufsichtsrat der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA wechselt und als Geschäftsführer der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG, der Hannover 96 Arena GmbH & Co. KG und weiterer Tochtergesellschaften tätig sein wird.

 

 

Julian Baldus ist Rechtsanwalt und Associate bei Osborne Clarke in Köln und im Bereich Corporate/M&A tätig.

 

Dr. Patrick Stadtbäumer ist Rechtsanwalt und Associate bei Osborne Clarke in Köln und im Bereich Corporate/M&A tätig.

 

Beide beraten umfassend zu allen Fragen des Gesellschaftsrechts und sind Teil der Arbeitsgruppe Sports bei Osborne Clarke, welche das rechtsgebietsübergreifende Know-how und Engagement der Kanzlei für Mandanten aus dem professionellen Sportsektor bündelt.