Ein praxisnahes Lehrbuch für den Einstieg in die Medienpsychologie
Wir haben uns mit den Herausgeber:innen des neuen Lehrbuchs „Medienpsychologie“ Dr. Tim Wulf, Dr. Brigitte Naderer und Prof. Dr. Diana Rieger unterhalten:
Wie lässt sich der Begriff ‚Medienpsychologie‘ definieren?
„Medienpsychologische Forschung befasst sich mithilfe des gesamten quantitativen sowie qualitativen Methodenapparats der empirischen Psychologie mit der Frage, wie die Nutzung von Medien im Zusammenhang mit menschlichem Handeln, Denken und Fühlen steht. Die Medienpsychologie versucht Phänomene und Kontroversen wie etwa die Fragen, ob man durch die Nutzung sozialer Medien unglücklich(er) oder durch das Spielen gewalthaltiger Videospiele aggressiv(er) wird, differenziert zu betrachten und Erklärungen für diese Thesen zu finden.“
In Ihrem Lehrbuch kombinieren Sie Alltagsbeispiele mit aktuellen Studien und den bedeutsamsten Theorien des Fachs. Würden Sie zwei, drei interessante Alltagsbeispiele aufführen?
„Bleiben wir bei den obigen Beispielen, kann die Verwendung sozialer Medien etwa zu sozialen Vergleichsprozessen führen, wenn wir Postings anderer Nutzer:innen anschauen. Solche Vergleiche können grundsätzlich selbstwertdienlich und bestärkend sein. Das passiert etwa, wenn wir unsere Identität in ihnen wiederfinden oder sie uns zu bestimmten positiven Verhaltensweisen motivieren, weil wir das Ziel als erreichbar wahrnehmen (zum Beispiel regelmäßige kleine Übungen unter dem #fitspiration). Nehmen wir die Ziele allerdings als unerreichbar wahr (“Waschbrettbauch in 3 Tagen”), kann dies zu einer negativen Wahrnehmung des eigenen Körpers führen. In diesem Beispiel untersucht die Medienpsychologie die Umstände und die zugrunde liegenden Prozesse, die dazu führen, dass ein Posting von zwei Betrachter:innen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.
Die Frage, ob und unter welchen Umständen gewalthaltige Videospiele aggressiv machen, hat die medienpsychologische Forschung (noch) nicht endgültig geklärt. Hier liegt die Rolle der Medienpsychologie darin, Prozesse aufzudecken, die schließlich zur Ausübung von Gewalt führen. Liegt es tatsächlich allein an der Beobachtung von Gewalt im Videospiel, oder sind zusätzlich bestimmte Trigger in der eigenen Umwelt notwendig? Aktuelle Meta-Analysen zeigen zwar Effekte durch die Nutzung gewalthaltiger Videospiele auf, doch sind diese sehr klein und können etwa im Vergleich zu sozialen Komponenten und Kontextfaktoren weniger zur Erklärung aggressiven Verhaltens beitragen.“
Sie beleuchten medienpsychologische Fragestellung u.a. anhand des Themenblocks Gesundheit. Welcher Zusammenhang lässt sich hier feststellen?
„Gesundheit kann unterschiedliche Aspekte umfassen. Konkret definieren wir im Buch Gesundheit als physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden. Medienpsychologische Effekte auf diese Gesundheitsbereiche haben wir im Buch anhand ausgewählter Beispiele angesprochen. Wir diskutieren daher Effekte von Medien auf das Essverhalten, auf Körperwahrnehmung, Effekte von Handynutzung auf Stress und Schlafverhalten, sowie den Zusammenhang zwischen Medienberichterstattung und Selbstverletzung bzw. Suizid.“