Die Resilienz als neue Anforderung des Rechts der Daten- und IT-Sicherheit

24.04.2025

Die Resilienz als neue Anforderung des Rechts der Daten- und IT-Sicherheit

Digitalrecht 04-2025 Newsletter Header Christoph Werner

von Dr. Christoph Werner

Die Resilienz als neue Anforderung des Datensicherheitsrecht nach Art. 32 Abs. 1 lit b) DSGVO (dort: „Belastbarkeit“) ist wesentlich bedeutsamer als es auf den ersten Blick erscheinen mag: Zunächst steht sie dort unauffällig neben den klassischen Schutzzielen Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit als Anforderung an Systeme und Dienste. Anders als teilweise angenommen, handelt es sich bei der Resilienz jedoch keineswegs um ein weiteres Schutzziel oder gar nur um eine besondere Ausprägung der Verfügbarkeit.

Novum der Resilienz

Vielmehr novelliert das Erfordernis der Resilienz von Systemen die tradierte, risikobasierte Datensicherheitsgewährleistung (Entscheidung – über Gegenmaßnahmen – unter Unsicherheit) insgesamt. Methodisch ist die typische Betrachtung von bestimmbaren Einzelrisiken, die Schutzziele verletzen und sodann ggf. eine Beeinträchtigung der Schutzgüter (Verletzung des Datenschutzgrundrechts, Art. 8 GRC) zur Folge haben, nicht mehr hinreichend. Mit der Resilienz wird nun die Ungewissheit adressiert, die bei diesem Risikomanagement zwangsläufig verbleibt: Schwachstellen können übersehen und komplexe Systeme können nur vereinfacht modelliert werden. Das Verhalten von KI-Modellen bei einem (unerkannten) Angriff ist zumeist unvorhersehbar.

Somit müssen zusätzliche Resilienzmaßnahmen das soziotechnische System gegenüber solchen ungewissen Ereignissen wappnen, die mithin gerade nicht (mehr) als Risiken mit bestimmbarer Eintrittswahrscheinlichkeit und Folgenschwere erkannt und behandelt werden können (Entscheidung unter Ungewissheit). Dies impliziert, dass System so auszugestalten, dass es solche ungewissen Ereignisse zunächst erkennen (z.B. durch Anomalieerkennung), sich an diese folgenmindernd anpassen sowie sich unter lernender Verbesserung schnellstmöglich davon erholen kann.

Übertragung in das IT-Sicherheitsrecht

Bei den zuvor genannten Beispielen von Ungewissheitssituationen drängt sich natürlich der Umstand auf, dass diese nicht auf die Datensicherheit im Kontext der DSGVO beschränkt sind, sondern z.B. auch das IT-Sicherheitsrecht für kritische Infrastrukturen und digitale Dienste betreffen. Im untersuchten RegE BSIG (aus dem RegE des Nis2UmsuCG vom 22.7.2024) existiert eine der Resilienz vergleichbare Anforderung jedoch noch nicht. Allerdings gibt es bereits erste Anhaltspunkte in diese Richtung, z. B. Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs trotz Auftretens eines (unvorhergesehenen) Sicherheitsvorfalls, § 30 Abs. 2 Nr. 3 RegE BSIG. Weiterhin sind die übrigen Sicherheitsvorgaben zumeist sehr ähnlich zur DSGVO, etwa der Risikobegriff, die Schutzziele oder die Angemessenheit von Maßnahmen, sodass eine Übertragung der Resilienz möglich und sinnvoll erscheint. Dies erlaubt neben der Nutzung des ergänzenden Mehrwerts dieser Anforderung auch eine stärkere Harmonisierung von Daten- und IT-Sicherheitsrecht.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Untersuchung der Resilienz liefert somit u. a. folgende Ergebnisse: Die Resilienz nach Art. 32 DSGVO wird auch unter Berücksichtigung anderer Fachdisziplinen wie der Psychologie, der Ingenieurswissenschaft und der IT-Sicherheit definiert. Auch begleitende Datensicherheitsbegriffe wie Systeme, Dienste, Risiko, Angemessenheit sowie die Schutzziele werden bestimmt und die Resilienz zu diesen systematisch eingeordnet.

In einem zweiten Schritt wird die so definierte Resilienz auf das IT-Sicherheitsrecht übertragen und dabei die korrespondierenden Begriffe im IT-Sicherheitsrecht beleuchtet. Insofern können hier auch die begrifflichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Daten- und IT-Sicherheitsrecht dargestellt werden. Auch werden an dieser Stelle die Schwächen in der Umsetzung der NIS2-RL im Nis2UmsuCG aufgezeigt. Die Untersuchung schließt mit einem Implementierungsvorschlag aus sechs Thesen für eine künftige, harmonisierte Gestaltung des Daten- und IT-Sicherheitsrechts unter Berücksichtigung der Resilienz als neuer Anforderung.

Für eine tiefergehende Befassung ist die Untersuchung jetzt Open-Access verfügbar unter http://www.nomos-elibrary.de/index.php?doi=10.5771/9783748947523

Dr. Christoph Werner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Karlsruher Institut für Technologie und derzeit im Rahmen der KASTEL Security Research Labs beschäftigt: https://compliance.zar.kit.edu/mitarbeitende_christoph.werner.php Seine Dissertation „Die Resilienz als neue Anforderung des Rechts der Daten- und IT-Sicherheit“ ist in der Reihe „Schriften zum IT-Sicherheitsrecht“, Bd. 4, aktuell im Nomos Verlag erschienen.