Künstliche Intelligenz als Herausforderung für das Urheberrecht

16.08.2023

Künstliche Intelligenz als Herausforderung für das Urheberrecht

Unser Gastautor Dr. Barudi Malek schreibt für unseren Praxis-Newsletter Digitalrecht

Beitrag von Dr. Malek Barudi

Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood streiken, Techunternehmen und Musiklabels beabsichtigen Kooperationen, Wissenschaftler fürchten die Entmachtung des Menschen. Sie alle vereint ein Thema: Die Auswirkungen künstlicher Intelligenz (KI) auf unsere Arbeit, unsere Kultur, unser Leben. Das Urheberrecht ist dabei ein kleiner, für Kreative ebenso wie für Anbieter und Verwender von KI gleichwohl grundlegender Teil unterschiedlichster Rechtsgebiete, die es zu beachten gilt.

Die Marginalisierung des Autors?

Ist der „Tod des Autors“, wie ihn Roland Barthes bereits 1968 in einem etwas anderen Zusammenhang ausrief, die uns bevorstehende Realität? So weit ist es nicht, aber angesichts der immer ausgereifteren Fähigkeiten von KI, eigene „Werke“ zu schaffen, ist die These, dass Kreative eine Marginalisierung erfahren könnten, berechtigt. Übersetzer wissen dies nur allzu gut.

Auch wenn das Thema KI aktuell durch ChatGPT und andere Tools eine Hochkonjunktur erfährt, stellen computergenerierte Inhalte Kunst und Kultur – und damit auch das Urheberrecht – schon seit einem halben Jahrhundert vor Herausforderungen. Der Beitrag „Kunst und Computer“ von Herbert Bruderer in der NZZ vom 8. Juni 1977 und der Aufsatz „Die moderne Kunst, die Computer‚Kunst‘ und das Urheberrecht“ (UFITA 56 (1970), 117) sind Zeugnis dessen. Neu und bemerkenswert sind gleichwohl Qualität und Quantität der mit KI erstellten Inhalte und die rasche Weiterentwicklung.

KI und Urheberrecht

KI lernt maschinell aus Beispielen, indem sie diese klassifiziert und Muster erkennt. Dabei wird ein Text-, Bild-, Video- oder Musikgenerator, der auf KI basiert, anhand eines Trainingsdatensatzes bestehend aus Informationen und vom Menschen geschaffener Werke angelernt. Je mehr der Generator trainiert und je größer sein Datensatz ist, desto besser wird er darin, nach Aufforderung (sog. „prompt“) eines Menschen selbst neue Inhalte zu erstellen. Dies wirft grundlegende urheberrechtliche Fragen auf.

KI-Input

Die von der KI im Lernprozess verwendeten Inhalte sind Texte, Bilder, Videos und Musik, die in aller Regel Urheber- bzw. Leistungsschutz genießen. Um die KI zu trainieren, ist jedenfalls eine Vervielfältigung der Inhalte erforderlich, die grundsätzlich dem Urheber bzw. Leistungsschutzberechtigten vorbehalten ist, sofern nicht eine gesetzliche Schrankenbestimmung eingreift. Hier kommt neben Wissenschaftsschranken (insbesondere § 60d UrhG) vor allem die erst im Zuge der Umsetzung der DSM-Richtlinie 2019/790 eingeführte Text-and-Data-Mining-Schranke für kommerzielle Anwender aus § 44b UrhG in Betracht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese Schrankenbestimmung die anschließende Löschung der Vervielfältigung erfordert und Rechteinhabern zudem ermöglicht, einen (grundsätzlich maschinenlesbaren) Nutzungsvorbehalt zu erklären, der die Nutzung von Werken für das Text und Data Mining ausschließen kann. Die Schrankenbestimmungen für das Text und Data Mining gehen auf Art. 3 und 4 der DSM-Richtlinie 2019/790 zurück und werden so oder so ähnlich in allen Mitgliedstaaten der EU umgesetzt. Soweit Vervielfältigungen nicht in der EU, sondern etwa in den USA erfolgen, könnten diese im Einzelfall gegebenenfalls als „fair use“ angesehen werden.

KI-Output

Der Output der KI berührt die Gretchenfrage des Urheberrechts als Schutz persönlicher geistiger Schöpfungen (§ 2 Abs. 2 UrhG). Soll das Urheberrecht dem menschlichen Autor vorbehalten bleiben, oder bricht man mit dem anthropozentrischen Konzept? Eine geradezu provokante rechtsphilosophische Frage, der man sich angesichts der rasanten technischen Entwicklungen nicht entziehen kann – und auf die es keine einfache Antwort gibt. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die tatsächliche und für Gerichtsprozesse maßgebliche Frage, wie man menschliche Schöpfungen von KI-generierten Inhalten künftig wird unterscheiden können. Abgrenzungsschwierigkeiten beschäftigen Gerichte bereits heute zB bei computergenerierten Produktabbildungen. Unabhängig davon können KI-generierte Inhalte gegebenenfalls Leistungsschutz genießen, beispielsweise eine mittels KI erstellte Tonaufnahme (§ 85 UrhG), Laufbilder (§§ 94, 95 UrhG) oder eine Datenbank (§ 87a UrhG).

Eine in der Praxis wichtige Bedeutung haben überdies Haftungsfragen für den KI-generierten Output. Während der Stil eines Künstlers als solcher nicht geschützt ist, können zB Romanfiguren selbstständigen Urheberrechtsschutz genießen. Daher können KI-generierte Fortsetzungen bekannter Romane bzw. ein Sequel eines Films das Urheberrecht ebenso verletzen wie Gemälde, die mit einem vorbestehenden Werk nahezu identisch sind. In diesem Zusammenhang mag die Frage der „Doppelschöpfung“ aufkommen, das heißt eine zufällige vollständige Übereinstimmung zwischen dem vorbestehenden Werk und dem neu entstandenen KI-Output, ohne dass die KI von dem vorbestehenden Werk „wusste“. Das wird man allenfalls dann annehmen können, wenn das vorbestehende Werk nachweislich nicht für den KI-Input verwendet wurde.

Auch für den KI-Output können zudem Schrankenbestimmungen greifen, etwa wenn eine Karikatur, eine Parodie oder ein Pastiche vorliegt (§ 51a UrhG) oder ein Inhalt nur für den privaten Gebrauch bestimmt ist (§ 53 Abs. 1 UrhG). § 23 UrhG bietet hingegen wenig Spielraum für eine „freie Benutzung“, denn das Kriterium des „hinreichenden Abstands“ zu einem vorbestehenden Werk erfordert die Schaffung eines neuen Werkes – was der reine KI-Output nicht ist.

Praktisch besonders relevant ist die Frage, wer in welchem Umfang für einen urheberrechtsverletzenden KI-Output haftet. Maßgeblich ist auch hier die konkrete Nutzung, also wer das Werk vervielfältigt, öffentlich zugänglich macht, verbreitet oder anderweitig verwendet. Erforderlich ist eine genaue Betrachtung des Einzelfalls, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein KI-Output auf den Eingaben und Befehlen des Nutzers beruht und dieser den Output anschließend verwendet.

Ausblick

Das Urheberrecht hält bereits heute weitreichende Lösungen für den Umgang mit KI bereit, aber die großen rechtsphilosophischen Fragen bleiben. Eines ist festzustellen: KI bietet urheberrechtlich Interessierten heute und in der Zukunft eine geradezu paradiesische Spielwiese. Langeweile? Fehlanzeige.

Dr. Malek Barudi, M.Jur. (Oxford), ist Rechtsanwalt und Partner der Taylor Wessing Partnerschaftsgesellschaft mbB. Er berät und vertritt global agierende Technologieunternehmen im Bereich des Urheber- und Medienrechts. Malek ist Herausgeber und einer der Autoren des Rechtshandbuchs „Das neue Urheberrecht“, zählt darüber hinaus zum Autorenkreis des in Kürze erscheinenden Rechtshandbuchs „Europäische Plattformregulierung“ (beide Nomos Verlag) und ist Autor zahlreicher weiterer Publikationen zum Urheber- und Medienrecht.