Mehr Wettbewerb in digitalen Märkten – der Digital Markets Act kommt

22.08.2022

Mehr Wettbewerb in digitalen Märkten

Beitrag von Prof. Dr. Rupprecht Podszun

Europa nimmt es mit „Big Tech“ auf: Mit dem Digital Markets Act (DMA) will die EU für mehr Fairness in der Plattformökonomie und für eine bessere Bestreitbarkeit der digitalen Märkte sorgen. Für digitale Gatekeeper (deutsch: „Torwächter“) sieht der DMA weitreichende neue Compliance-Anforderungen vor. Gewerblichen und privaten Nutzern bietet er die Chance, das Verhältnis zu mächtigen Plattformen neu auszutarieren.

An wen richtet sich der DMA?

Der DMA reguliert zentrale Plattformdienste wie zB Online-Vermittlungsdienste, Suchmaschinen, soziale Netzwerke, aber auch Betriebssysteme und Webbrowser, soweit diese von Gatekeepern betrieben werden. Gatekeeper werden von der Europäischen Kommission benannt. Besonders hilfreich für die Behörde: Sobald ein Unternehmen bestimmte Schwellenwerte bei Umsatz, Marktkapitalisierung und Nutzerzahl überschreitet, wird vermutet, dass es sich um einen Gatekeeper handelt. Bei vorsichtiger Schätzung erfüllen weltweit 10 bis 15 Unternehmen die Schwellenwerte – also nicht nur die Netzgiganten Alphabet, Amazon, Apple, Meta und Microsoft.

Welche Pflichten gelten für Gatekeeper?

Für Gatekeeper gelten unter dem DMA zwei Kataloge mit insgesamt 21 Verhaltenspflichten. Hinzu kommen eine Interoperabilitätspflicht für Kommunikationsdienste und eine Verpflichtung zur Unterrichtung der Kommission über Zusammenschlüsse. Sämtliche dieser Verpflichtungen gelten ohne Weiteres; sie bedürfen keiner Aktivierung durch die Kommission.

Die Pflichten zielen in drei Richtungen:

  • Erstens geht es um Daten und ihre Nutzung. Die Zusammenführung von Nutzerdaten wird erschwert. Plattformen dürfen Händlerdaten, die sie als Vermittler erhalten, nicht mehr als Wettbewerber ausnutzen. Dies betrifft zB einen Online-Marktplatz, der auch selbst auf der Plattform Produkte anbietet.
  • Zweitens werden Selbstbevorzugung und Koppelung für Gatekeeper-Dienste untersagt. So darf etwa eine Suchmaschine ihre eigenen Angebote in Suchergebnissen nicht mehr priorisieren.
  • Drittens sollen die geschlossenen Ökosysteme der digitalen Konzerne durch Interoperabilität und das Verbot von Exklusivitätsstrategien aufgebrochen werden. Das gilt auch für Messenger-Dienste wie WhatsApp, die nach einem Stufenplan interoperabel gemacht werden müssen.

Die Möglichkeiten für Gatekeeper, sich von den Verhaltenspflichten befreien zu lassen, sind sehr begrenzt. Es gibt – anders als im Kartellrecht – keinen Effizienzeinwand.

Was geschieht, wenn Gatekeeper gegen ihre Pflichten verstoßen?

Die Durchsetzung des DMA liegt in den Händen der Europäischen Kommission. Sie erhält weitgehende Befugnisse zur Abstellung rechtsverletzender Praktiken. Bußgelder können bis zu 10 % des weltweiten Jahresumsatzes, bei systematischer Nichteinhaltung bis zu 20 % betragen. Als ultima ratio sind sogar Entflechtungen denkbar. Wettbewerber, gewerbliche und private Nutzer der Plattformen können ihre Rechte zudem im Klageweg durchsetzen.

Wie geht es weiter?

Ende dieses/Anfang nächsten Jahres soll der DMA, auf den sich Europäische Kommission, Rat und Parlament recht geräuschlos geeinigt haben, wirksam werden. Dann beginnt der Prozess der Benennung der Gatekeeper, woraufhin die Unternehmen wiederum sechs Monate Zeit haben, um ihr Verhalten anzupassen.

Was ist jetzt zu tun?

Potenzielle Gatekeeper sollten bereits jetzt ausloten, ob ihre Tätigkeit unter den Begriff des zentralen Plattformdienstes fällt und ob die Schwellenwerte erreicht werden. Auch intern müssen Strukturen zur Compliance mit dem neuen Regulierungsregime geschaffen werden. Wer als Wettbewerber oder (gewerblicher) Nutzer die Pflichten von Anfang an versteht, kann ganz neue Geschäftschancen wahrnehmen. Wird der DMA richtig angepackt, könnte er die Spielregeln auf digitalen Märkten neu definieren – mit Folgen für alle Akteure.


Prof. Dr. Rupprecht Podszun ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Wettbewerbsrecht und Direktor des Instituts für Kartellrecht an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Er gibt den Nomos-Kommentar zum Digital Markets Act (ISBN 978-3-8487-7881-2) heraus, der Anfang 2023 erscheint. Professor Podszun bloggt unter http://www.d-kart.de. Er nahm als Sachverständiger im Europäischen Parlament und im Bundestag Stellung zum Digital Markets Act.