Der Einfluss und rechtliche Rahmen von Geo-Blocking im Online Vertrieb

18.07.2024

Der Einfluss und rechtliche Rahmen von Geo-Blocking im Online Vertrieb

Von Dr. Robert Burkert

Mit der Verordnung (EU) 2018/302 („Geoblocking-VO“) wollte der EU-Gesetzgeber den digitalen Binnenmarkt vereinen und der etablierten Separierung der digitalen Märkte durch ungerechtfertigte Diskriminierung von Endkunden aufgrund geographischer Daten („Geoblocking“) entgegenwirken. Geoblocking, sowohl durch einseitige Verhaltensweisen von Anbietern als auch aufgrund multilateraler Vereinbarungen entlang der vertikalen Märkte, sollte durch einen einheitlichen Rechtsrahmen verhindert werden. Jüngst hat die EU-Kommission auf Entschließung des EU-Parlaments mitgeteilt, dass die bereits überfällige Bewertung der Geoblocking-VO nach weiteren Markterkundungen in 2025 erfolgen soll.

Einfluss der Geoblocking-VO auf e-Commerce

Vor Inkrafttreten der Geoblocking-VO war Geoblocking kaum reguliert. Die kartellrechtlichen Bestimmungen für einseitige Maßnahmen finden nur in wenigen Fällen Anwendung, da sie eine marktbeherrschende Stellung des Anbieters voraussetzen. Die nationalen Umsetzungen der Richtlinie 2006/123/EG („Dienstleistungs-Richtlinie“) sind praktisch nicht relevant und wurden in Deutschland seit ihrem Inkrafttreten noch nie angewendet. Bezüglich vertikaler Vereinbarungen, die Anbieter zu Geoblocking und somit zu einer digitalen Gebietsbeschränkung verpflichten, gilt hingegen der allgemeine kartellrechtliche Rahmen, sodass solche Verpflichtungen regelmäßig unwirksam und lediglich die allgemein anerkannten Ausnahmen zulässig sind. Dies gilt auch nach Inkrafttreten der neuen Verordnung (EU) 2022/720 („Vertikal-GVO“) und deren Leitlinien.

Dieser Regelungsrahmen, der Anbietern insbesondere einseitige Geoblocking- Maßnahmen erlaubt hatte, wurde durch die Geoblocking-VO maßgeblich erweitert. Es ist Anbietern nunmehr umfassend verboten, (1) Endkunden den Zugang zu Benutzeroberflächen zu verwehren oder diese ungefragt weiterzuleiten, (2) Endkunden den Zugang zu Waren und Dienstleistungen zu verweigern oder diese durch unterschiedliche Vertragsbedingungen ungerechtfertigt zu benachteiligen und (3) Endkunden im Zusammenhang mit der Zahlung zu diskriminieren. Darüber hinaus sind vertikale Vereinbarungen unwirksam, die den passiven Verkauf betreffen und einen Verstoß gegen die genannten Verbote zur Folge haben.

Nachbesserungsbedarf am bestehenden Regelungsrahmen

Aufgrund der strengen Bestimmungen der Geoblocking-VO sind Geoblocking-Maßnahmen im Online-Handel auf dem Binnenmarkt erheblich zurückgegangen. Nichtsdestotrotz enthält die Geoblocking-VO einige Unklarheiten und zwingend nachzubessernde Bestimmungen. Die rechtliche Einordnung von Geoblocking ist auch nach Inkrafttreten der Geoblocking-VO fragmentiert und beinhaltet nicht unerhebliche Unsicherheiten für Anbieter und Endkunden. Der intendierte einheitliche Rechtsrahmen ist noch nicht verwirklicht. Wesentliche Aspekte, die aus Sicht des Autors der Revision bedürfen, sind die Unklarheiten hinsichtlich der Anwendung der Geoblocking-VO in der Praxis, deren Verhältnis zu den kartellrechtlichen Vorschriften sowie der nicht hinreichend harmonisierte Rahmen für die Durchsetzung und Sanktionierung von Verstößen gegen die Geoblocking-VO.

Überprüfung des Regelungsrahmens in 2025

Nachbesserungsbedarf hat auch das EU-Parlament erkannt und mit Entschließung vom 13.12.2023 die EU-Kommission aufgefordert, die überfällige Bewertung der Geoblocking- VO nachzuholen, um auch die verbleibenden Hürden für den digitalen Binnenmarkt zu beseitigen. Die EU Kommission hat am 24.06.2024 Maßnahmen zur Markterkundung angekündigt, um eine Bewertung der Geoblocking-VO im Jahr 2025 zu ermöglichen. Es bleibt zu hoffen, dass im Anschluss an die Bewertung Änderungen erfolgen, um Geoblocking auf dem EU Binnenmarkt einheitlich und rechtssicher zu regulieren. Ziel muss es sein, dass Verbraucher und Unternehmen als Endkunden ihre Rechte kennen und wahrnehmen können und Anbieter rechtssicher wissen, welche Maßnahmen sie ergreifen müssen, um nicht gegen die Geoblocking-VO zu verstoßen.


Dr. Robert Burkert ist Rechtsanwalt bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und berät insbesondere zum Vertrags-, Handels- und Vertriebsrecht sowie bei der außergerichtlichen und prozessualen Beilegung von Streitigkeiten. Dr. Robert Burkert ist von der International Chamber of Commerce (ICC) akkreditierter und geprüfter Incoterms® 2020-Trainer und Mitglied der Commercial Law and Practice
Commission (CLP Commission) der ICC. Seine Dissertation zu dem Thema „Der Einfluss und rechtliche Rahmen von Geoblocking im Online Vertrieb“ erscheint in Kürze im Nomos Verlag in der Schriftenreihe „Recht und Digitalisierung“.


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