Wir haben uns mit Dr. Antje Nötzold über Ihr Buch unterhalten
Wir freuen uns, Ihnen das Buch „Entscheidung zur Denuklearisierung: Eine Prozessanalyse der nuklearen Abrüstung in Südafrika“ von Dr. Antje Nötzold anhand eines kurzen Interviews vorstellen zu können. Das Buch liefert eine bahnbrechende Analyse der Entscheidung Südafrikas, sein Nukleararsenal abzubauen.
Im Mittelpunkt Ihres Buches steht der Entscheidungsprozess zur Denuklearisierung in Südafrika und die internen wie internationalen Einflüsse. Wie steht es um die Denuklearisierung in Südafrika?
„Südafrika ist bisher das einzige Land, dass aus eigener Entscheidung nicht nur ein militärischen Nuklearprogramm eingestellt, sondern vorhandene Nuklearwaffen vollständig abgerüstet hat. Mit seiner umfangreichen und nachhaltigen nuklearen Abrüstung und dem anschließenden Engagement für nuklearen Nichtverbreitung wird Südafrika auch als „champion of non-proliferation efforts” bezeichnet. So sehen wir weder in den letzten 30 Jahren noch gegenwärtig Bestrebungen ein militärisches Nuklearprogramm wieder aufzulegen. Im Gegenteil hat sich Pretoria maßgeblich für die unbefristete Verlängerung der Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages (NPT) 1995 und die Errichtung einer African Nuclear-Weapon-Free Zone (ANWFZ) eingesetzt, ist Mitglied in verschiedenen nuklearen Exportkontrollorganisationen, ratifizierte 1999 den Kernwaffenteststopp-Vertrag (CTBT) und 2019 als 22. Vertragsstaat den Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW), der Nuklearwaffen in Gänze ächtet.“
Inwiefern spielte der internationale Kontext im Fall Südafrika aber auch darüber hinaus eine Rolle bei der Denuklearisierung eines Landes?
„Der internationale Kontext ist sehr wichtig. Zum einen hat die internationale Gemeinschaft Normen gegen die Verbreitung und Verwendung von Nuklearwaffen geschaffen. So ist der NPT mit 190 Vertragsstaaten eine nahezu universelle Norm und das „nukleare Taboo“ keines weiteren Nuklearwaffeneinsatzes seit fast 80 Jahren ungebrochen. Zum anderen kann die internationale Gemeinschaft Rahmenbedingungen schaffen, die ein Entscheidung gegen ein Nuklearwaffenprogramm begünstigen, mittels u.a. Sanktionen, internationaler Ächtung und Ausgrenzung, Bedrohungen der oder Garantien für die Sicherheit – je nach Land sowie durch Kontrolle und Beschränkung des Zugangs zu nuklearwaffenrelevanten Materialien und Technologie. Mittels dieser Faktoren kann ein internationales und nationales Umfeld geschaffen werden, indem die Kosten für die Fortführung der nuklearen Ambitionen zu hoch werden und Faktoren zum Tragen kommen, dass die Denuklearisierungsentscheidung getroffen wird.“
Welche Lehren können aus der erfolgreichen Denuklearisierung Südafrika – immerhin bisher der einzige Fall einer Abrüstung von vorhandenen Nuklearwaffen – für die aktuellen Proliferationskrisen in Nordkorea und Iran gezogen werden?
„Die wichtigste Erkenntnis ist, dass ein Faktor für nukleare Abrüstung allein nicht ausreicht. Non-Proliferation ist geprägt von Multikausalität und Äquifinalität, d.h. mehrere Faktoren ursächlich wirken zusammen und entfalten im jeweiligen Fall ein anderes Gewicht. Der konkrete Auslöser – der Trigger – der Entscheidung, der letztlich die Denuklearisierungsentscheidung bewirkt, wie der Wechsel im Präsidentenamt zu de Klerk, ist dabei nur begrenzt von außen steuerbar. Gleichzeitig kann dieser individuelle Trigger nur im entsprechenden Kontext der anderen Faktoren seine auslösende Wirkung entfalten. Es gilt daher die begünstigenden Rahmenbedingungen aufrechtzuerhalten und gleichzeitig aufmerksam für Veränderungen im Land zu bleiben. Das bedarf einer strategischen Geduld und ist politisch ziemlich unbefriedigend. Daher ist es wichtig, das gesamte Non-Proliferationsregime zu stärken, um Fortschritte in Nuklearprogrammen zu verlangsamen und mehr Zeit für den richtigen Moment zu generieren.“