Herausforderungen, überraschende Perspektiven und interdisziplinäre Zugänge
Einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen des umfassenden Handbuchs „Theater und Tanz“ bietet unser Interview mit den Herausgeberinnen. Prof. Dr. Beate Hochholdinger-Reiterer, Prof. Dr. Christina Thurner und Dr. Julia Wehren geben Einblicke in die Entstehung des Werkes, die Herausforderungen bei der Auswahl der Beiträge sowie die Bedeutung eines interdisziplinären Verständnisses von Theater und Tanz.
Das Handbuch „Theater und Tanz“ bietet einen umfassenden Überblick über Geschichte, Definitionen, Methoden und Theorien sowie verschiedene Arbeitsfelder. Welche Herausforderungen stellten sich bei der Zusammenstellung und Auswahl der Beiträge, um sowohl den aktuellen Forschungsstand abzubilden als auch historische und aktuelle Positionen zu berücksichtigen?
Eine große Herausforderung war die Frage, was wir weglassen. Denn selbstverständlich mussten wir auswählen. Geholfen hat, dass wir drei Herausgeberinnen uns in unseren eigenen Forschungs- und Lehrschwerpunkten ergänzen. Wir haben unsere unterschiedlichen Perspektiven zusammengetragen und danach die Kapitelstruktur und die plausible Zuordnung der einzelnen Themen diskutiert. Für diese Konzeption haben wir von den angefragten Autor:innen ein erfreulich positives Feedback erhalten. Die wenigen Hinweise für weitere relevante Themen haben wir einbauen können. Nachdem wir alle Artikel redigiert hatten, gab es noch einzelne kleine Änderungen in der Kapitelzuordnung. Aber im Großen und Ganzen blieb unser Ausgangskonzept bestehen. Wir mussten auch auf keinen einzigen Artikel verzichten, da alle Texte eingereicht worden sind. Unsere Fachgesellschaft ist sehr froh, dass jemand die große Arbeit eines Handbuchs auf sich genommen hat. Deshalb waren alle Kolleg:innen auch bemüht, uns in unserem Vorhaben zu unterstützen. Dass es endlich ein Handbuch zu Theater und Tanz braucht, war allen klar.
Die Vielfalt von Theater und Tanz spiegelt sich in den unterschiedlichen Perspektiven wider, die das Buch präsentiert. Könnten Sie einige der neuen und überraschenden Perspektiven aufzeigen, die durch die Verknüpfung von Theater und Tanz in diesem Handbuch entstanden sind und die die Leser:innen möglicherweise überraschen oder inspirieren werden?
Wir haben unsere Autor:innen gebeten, wo sinnvoll und möglich, beide Perspektiven zu berücksichtigen. Schon diese Aufforderung war eine überraschende Herausforderung und bietet in vielen der Beiträge einen erweiterten Zugang bzw. lässt Gegenstände und Methoden in neuem Licht erscheinen. Es gibt beispielsweise auch einen Artikel zu «Fachgeschichte(n)», den zwei Herausgeberinnen gemeinsam verfasst haben, um die Bezüge der beiden doch sehr unterschiedlich verlaufenen Historien darzustellen. Wir denken, allein das Wissen um die jeweiligen Traditionen und die Differenzen ist inspirierend, weil Theater und Tanz üblicherweise getrennt beforscht werden. Am Berner Institut «leben» wir allerdings in Forschung und Lehre die Verwobenheit der Disziplinen.
Das Handbuch richtet sich an ein breites Publikum, einschließlich Wissenschaftler:innen, Studierende und Praktiker:innen. Wie ist es Ihnen gelungen, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, der sowohl fachlich fundiert als auch für alle Interessierten zugänglich ist? Und welche Bedeutung messen Sie dem Buch im Hinblick auf die Förderung eines interdisziplinären Verständnisses von Theater und Tanz bei?
Wir haben renommierte Forscher:innen ausgewählt, die aufgrund ihrer Expertise routiniert darin sind, komplexe und umfassende Inhalte auch für ein breites Publikum darzustellen. Außerdem wurden alle Artikel von uns Herausgeberinnen im intensiven Dialog miteinander und mit unseren Autor:innen redigiert.
Dass in einem Handbuch explizit Theater(wissenschaft) und Tanz(wissenschaft) verbunden sind, ist ein Novum. Die Auswahl der Artikel zeigt bereits, dass beide Wissenschaftsfelder interdisziplinär arbeiten, weil sie Gegenstände untersuchen, die per se auf mehreren Medien fußen – Theater und Tanz sind ja in sich schon vielgestaltig und die Grenzen untereinander, zu anderen Künsten und gesellschaftlichen Bereichen sind fliessend.