Herausforderung Künstliche Intelligenz: Urheberrecht auf dem Prüfstand

16.09.2024

Herausforderung Künstliche Intelligenz: Urheberrecht auf dem Prüfstand

von Marvin Jäschke

Von Faszination bis Angst – die disruptive Kraft der Künstlichen Intelligenz zeigt sich 2024 in fast jeder Branche. So auch in der Kreativwirtschaft, die die maschinelle Konkurrenz fürchtet: Nicht nur jenseits des Atlantiks trieb KI die Kulturschaffenden bereits auf die Barrikaden; auch hierzulande begehren Kulturschaffende auf – wenn auch nur mit Positionspapieren und Studien. Im Mittelpunkt dabei: das Urheberrecht, das 2026 wieder auf dem Prüfstand der Europäischen Kommission stehen wird.

Urheberrechtlicher Diskurs und offene Fragen

Die rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit den KI-Disruptionen findet erfreulich früh, aber durchaus unterschiedlich intensiv statt: So dürfte die (besonders intensiv geführte) Debatte um die Schutzfähigkeit bzw. Zurechnung von „Werken“ der generativer KI – nach anfänglicher Sympathie in der Literatur – mittlerweile beigelegt sein: Danach steht fest, dass in der Mehrzahl der automatisiert generierten Erzeugnisse keine menschliche (unmittelbar gestaltende) Schöpfungsleistung iSd § 2 Abs. 2 UrhG zu finden ist; Prompts oder die Auswahl des Erzeugnisses genügen insoweit nicht. Damit scheiden KI-Generatoren wir DALL-E und ChatGPT als Werkzeug eines Menschen im anthropozentrischen Urheberrecht regelmäßig aus.

Anders im Patentrecht, wie der jüngst veröffentlichte DABUS-Beschluss des BGH (B. v. 11.6.2024 – X ZB 5/22) zeigt: Denn dem erkennenden Senat genügt für die Erfindereigenschaft bereits ein den Gesamterfolg beeinflussender menschlicher Beitrag, der auch im Einsatz einer KI zum Auffinden der technischen Lehre liegen kann (vgl. dortige Rn. 38ff.).

Aber auch im Urheberrecht gibt es noch offene Fragen, etwa zum Schutz künstlicher neuronaler Netze bzw. ihrer Synapsengewichte, zur Haftung von Nutzerinnen und Nutzern für rechtsverletzende Erzeugnisse der KI Generatoren, und – mit Blick auf die prozessuale Durchsetzung – auch, wie Gerichte mit Zweifeln an einer persönlichen geistigen Schöpfung und der Beweisnot des Urhebers umgehen sollten.

Streitpunkt: Machine Learning

Unter den Rechteinhaberinnen und  inhabern sorgt derweil aber vor allem das Training von KI für Ärger: Denn dies geschieht regelmäßig mit geschützten Werken, die zumeist aus dem Internet gescraped werden. Die herrschende Meinung sieht im Machine Learning aber nur eine Spielart des Text and Data Minings (TDM), dessen Vorgang selbst keinerlei Verwertungsrelevanz besitzt. Privilegiert sind aber auch die für das TDM notwendige Speicherungen (also Vervielfältigungen iSd § 16 UrhG), die, wenn nicht ohnehin nur ephemer iSd § 44a UrhG, jedenfalls unter die Schrankenregelungen des § 44b bzw. § 60d UrhG fallen. Widerstand regt sich nun aber vor allem gegen eine fehlende Vergütung.

Tatsächlich ist die Vergütungsfreiheit für das kommerzielle TDM (§ 44b UrhG bzw. Art. 4 DSM-RL) unionsrechtlich auch nicht zwingend (vgl. ErwGr. 17 DSM-RL) und in Deutschland vor allem aus pragmatischen Gründen, nämlich zur Vermeidung einer Abgrenzung zu § 44a UrhG, erfolgt.

Gleichwohl ist die Vergütungsfreiheit richtig, denn sie folgt der Logik des „non- expressive use“, die zwischen notwendiger Vervielfältigung in der Digitaltechnik einer- und der Vervielfältigung zum Werkgenuss anderseits unterscheidet: Nur letztere gefährdet die Verwertungsinteressen der Urheberinnen und Urheber und erfordert daher Kompensation. Die Vergütungsfreiheit des kommerziellen TDM sollte daher auch in Zukunft verteidigt werden.

Innovationen fördern

Zugleich rückt damit aber auch eine andere Hürde für das kommerzielle TDM in den Blick: Die Möglichkeit eines „Opt-out“ (§44b Abs. 3 UrhG), der zurzeit zwar noch an (maschinenlesbaren) Standardprotokollen scheitert, langfristig aber die Lizenzierung von KI-Trainingsdaten erzwingen wird. Hier bleibt – auch angesichts der unklaren Rechtslage in den USA (vgl. nur Getty Images (US), Inc. ./. Stability AI, Inc.) – abzuwarten, ob kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung (§§ 51 ff VGG) letztlich nicht sogar einen beträchtlichen Standortvorteil für KI-Unternehmen bieten könnten. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Bundesjustizministerium bereits angekündigt hat, sich bei der Europäischen Kommission für eine ergebnisoffene Diskussion über neue Leistungsschutzrechte für KI Erzeugnisse einzusetzen.


RA Marvin Jäschke ist als Associate im Bereich „Intellectual Property, Media, and
Technology (IPMT)“ im Hamburger Büro der Hogan Lovells International LLP tätig.
Seine Dissertation mit dem Titel „Die Künstliche Intelligenz im Urheberrecht
Systeme, Arbeitsprozesse und -ergebnisse moderner KI in einer urheberrechtlichen
Gesamtbetrachtung“ wird in der NOMOS-Schriftenreihe „Datenrecht und neue
Technologien“ erscheinen.