Internationale Perspektiven der Sozialen Arbeit

28.03.2023

Internationale Perspektiven der Sozialen Arbeit

Wir haben uns mit Claudia Lohrenscheit, Andrea Schmelz, Caroline Schmitt und Ute Straub unterhalten, die gemeinsam das Lehrbuch „Internationale Soziale Arbeit und soziale Bewegungen“ herausgeben

Inwiefern sind soziale Bewegungen und Soziale Arbeit miteinander verwoben?

„Sie sind historisch nicht nur über die von ihnen geteilte Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen verbunden, sondern auch über professionelle und persönliche Beziehungsnetzwerke, denn viele Pionier:innen der Sozialen Arbeit waren gleichzeitig auch in verschiedenen Bewegungen aktiv. Die Zuschreibung „sozial“ findet sich bei den Bewegungen wie bei der Profession/Disziplin und gemeinsamer Gegenstand sind die gesellschaftlichen Verhältnisse. Bringen die sozialen Bewegungen soziale Probleme und gesellschaftliche Widersprüche in die Öffentlichkeit, so übernimmt die Soziale Arbeit die Aufgabe, diese aufzugreifen und zu bearbeiten. Beide sind von Beginn an international vernetzt und stehen in transnationalem Austausch. Aus unserer Perspektive ist es wichtig festzuhalten: Soziale Arbeit hat ihren Ursprung nicht ausschließlich in der sogenannten Armenfürsorge, in Mildtätigkeit und Wohltätigkeit/Wohlfahrt, sondern auch in politisch agierenden, gesellschaftsverändernden sozialen Bewegungen.“

Sie veranschaulichen soziale Bewegungen und Soziale Arbeit mit Fallbeispielen aus der ganzen Welt. Wie ist es Ihnen gelungen, diese Beispiele zu finden?

„Die Herausgeber:innen sowie auch die weiteren Autor:innen des Lehrbuchs sind in Teilen selbst aktiv in soziale Bewegungen eingebunden und/oder forschen seit vielen Jahren in diesen Feldern und sind entsprechend gut vernetzt. Auch unmittelbar vor der eigenen Haustür begegnet uns das gesellschaftlich bedeutsame, kreative Engagement sozialer Bewegungen und ist Inspirationsquelle. In Studium und Lehre, in der Forschung und Praxis lohnt es sich immer wieder, an soziale Bewegungen anzuknüpfen,  und  zugleich  finden Sozialarbeiter:innen aus der Praxis genauso wie aus der Wissenschaft weltweit in den Bewegungen einen Ort, an dem sie sich „Zuhause“  fühlen  –  ob  im  Einklang  oder  in  Opposition  zur  Politik  der  Hochschulen, Träger  und Organisationen, für die sie arbeiten.“

Weshalb ist es notwendig, die internationalen und politischen Dimensionen Sozialer Arbeit wieder stärker in den Vordergrund der Disziplin zu rücken?

„Transnationale Problemstellungen machen einen Großteil der sozialarbeiterischen Praxis aus. Gleichzeitig erodiert weltweit der Civic Space, der Handlungsraum für gesellschaftliche Korrektive. An die Stelle progressiven gesellschaftlichen Wandels tritt schleichende Entrechtung – das sehen wir an den Leerstellen sozialer Absicherung, etwa, wenn Menschen im Mittelmeer sterben oder Rassismus, Diskriminierung und Populismus legitimiert werden. Will Soziale Arbeit dem etwas entgegensetzen, muss sie (wieder) stärker gesellschaftlich intervenieren, wie es im globalen Ethikkodex der internationalen Fachverbände festgelegt ist. Dort verpflichtet sich die Profession, die ihr vom Staat übertragene Macht und Einflussmöglichkeit sowie die Befugnis, Maßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit für und gemeinsam mit Menschen zu ergreifen, zu nutzen, um inklusive Stimmen in ihrer Vielstimmigkeit zu bündeln und sie darin zu unterstützen, sich weltweit Gehör zu verschaffen. Wir stehen hinter dieser Selbstverpflichtung und sehen uns damit in der Tradition einer kritischen Sozialen Arbeit.“

 

Prof. Dr. Claudia Lohrenscheit, Prof. Dr. Andrea Schmelz, Prof. Dr. Caroline Schmitt und Prof. Dr. Ute Straub geben bei uns gemeinsam das Lehrbuch „Internationale Soziale Arbeit und soziale Bewegungen“ aus dem Studienkurs Soziale Arbeit heraus. Das Buch gibt einen Einblick in die Verzahnungen sozialer Bewegungen und sozialer Arbeit aus einer internationalen Perspektive. Mit ausgewählten Fallbeispielen aus der ganzen Welt wird in die Grundlagen und entsprechende Themen und Handlungsfelder der internationalen Sozialen Arbeit praxisnah eingeführt.