Medizinprodukte im neuen Produkthaftungs- und KI-Regulierungsrecht

14.02.2025

Medizinprodukte im neuen Produkthaftungs- und KI-Regulierungsrecht

Von Prof. Dr. Jan Eichelberger

Ob analog oder digital, ob mit oder ohne „KI“: Die novellierte Produkthaftungs-Richtlinie (EU) 2024/2853 und die KI-VO halten für Hersteller und Anwender von Medizinprodukten einiges bereit. Hierzu im Vorgriff auf das Product Compliance Forum 2025 am 13. März 2025 in Düsseldorf ein kleiner Vorgeschmack.

Produkthaftungsrecht

Die Herstellerhaftung für fehlerhafte Medizinprodukte ist – neben der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung – Produkthaftung nach ProdHaftG (s. Art. 10 Abs. 16 UAbs. 1 Medizinprodukte-VO). Die Novellierung der dem ProdHaftG zugrundeliegenden ProdHaft-RL betrifft damit unmittelbar auch die Hersteller von Medizinprodukten.

Software-Medizinprodukte, etwa „Medical Apps“, sind beispielsweise zukünftig ausdrücklich vom Produktbegriff des Produkthaftungsrechts umfasst (Art. 4 Nr. 1 ProdHaft-RL n.F.). Die seit langem geführte Diskussion, ob das unter dem bisherigen Recht schon so ist, hat sich damit erledigt. Beim Fehlerbegriff sind zukünftig ausdrücklich die Auswirkungen der Fähigkeit eines Produkts, nach seinem Inverkehrbringen zu lernen und neue Funktionen zu erwerben, „zu berücksichtigen“ (Art. 7 Abs. 2 lit. c ProdHaft-RL n.F.). Das ist zentral für „KI-Medizinprodukte“. Denn damit dürfte zugleich klargestellt sein, dass die Lernfähigkeit allein nicht schon einen Produktfehler (Konstruktionsfehler) per se darstellt, und dass später während des Betriebs „erlerntes“ Fehlverhalten das Produkt nicht notwendigerweise fehlerhaft macht. Entscheidend ist vielmehr, dass die zur Beherrschung der aus der Lernfähigkeit fließenden Risiken notwendigen Maßnahmen ergriffen wurden, was freilich auch bedeuten kann, dass ein System, dessen Risiken nicht adäquat beherrscht werden können, gar nicht in den Verkehr gebracht werden darf.

KI-VO

Medizinprodukte, bei denen Künstliche Intelligenz im Spiel ist, unterliegen zukünftig außerdem der Regulierung durch die KI-VO, und zwar zumeist als Hochrisiko-KI-System (s. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Nr. 11 KI-VO).

Hersteller

Für die Hersteller von KI-Medizinprodukten erweitert sich dadurch das bereits umfangreiche medizinprodukterechtliche Pflichtenprogramm um die Herstellerpflichten der KI-VO. Dabei gibt es einerseits deutliche Überschneidungen, etwa die Pflicht zum Vorhalten eines Risikomanagementsystems (Art. 9 KI-VO, Art. 10 Abs. 2 Medizinprodukte-VO), andererseits aber auch neue Anforderungen. Beispielsweise macht Art. 10 KI-VO zahlreiche Vorgaben zur Qualität der beim Training der KI eingesetzten Daten. Nach Art. 14 KI-VO sind Hochrisiko-KI-Systeme so zu konzipieren und zu entwickeln, dass sie während der Dauer ihrer Verwendung von natürlichen Personen wirksam beaufsichtigt werden können („menschliche Aufsicht“). Selbst im Überschneidungsbereich der KI-VO und der Medizinprodukte-VO dürfte die „Feinabstimmung“ beider Regelungswerke in der Praxis noch einigen Aufwand bedeuten.

Betreiber

Die KI-VO hält aber auch zahlreiche Pflichten für „Betreiber“ von KI-Systemen bereit. Das gilt es zu bedenken, wenn bei der medizinischen Behandlung im Krankenhaus, im MVZ oder in der Arztpraxis KI-Medizinprodukte eingesetzt werden. Neben den Pflichten aus der Medizinprodukte-Betreiberverordnung müssen dann auch die spezifischen Pflichten aus der KI-VO (insbesondere Art. 26 KI-VO) erfüllt werden. Beispielsweise muss einer dazu qualifizierten natürlichen Person die Wahrnehmung der menschlichen Aufsicht über das KI-Medizinprodukt übertragen werden (Art. 26 Abs. 2 KI-VO).

 

Prof. Dr. Jan Eichelberger, LL.M.oec.

ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Immaterialgüterrecht und IT-Recht am Institut für Rechtsinformatik (IRI) der Leibniz Universität Hannover. Weitere Informationen und Kontakt unter www.jan-eichelberger.de oder www.linkedin.com/in/jan-eichelberger. Der Autor ist zugleich Referent beim Product Compliance Forum 2025 am 13. März 2025 in Düsseldorf.