Neue EU-Spielzeugverordnung – der digitale Produktpass kommt!

16.10.2023

Neue EU-Spielzeugverordnung – der digitale Produktpass kommt!

Dr. Arun Kapoor für den Praxis-Newsletter Product Compliance

Beitrag von Dr. Arun Kapoor

Am 28.7.2023 hat die EU-Kommission ihren Entwurf für eine neue EU-Spielzeugverordnung veröffentlicht, die die aktuelle EG-Spielzeugrichtlinie 2009/48/EG ablösen soll. Neben der Verschärfung der chemischen Anforderungen und der Einführung des digitalen Produktpasses bringt der Entwurf zahlreiche Ergänzungen und Konkretisierungen der bisher geltenden Regelungen mit sich. Die Übergangsfrist soll 30 Monate ab Inkrafttreten betragen, so dass mit der zwingenden Anwendung der neuen Vorgaben ab dem Jahr 2027 zu rechnen ist.

I. Digitaler Produktpass

Die neue EU-Spielzeugverordnung wird als erste produktbezogene Harmonisierungsvorschrift den digitalen Produktpass einführen. Dieser soll die EU-Konformitätserklärung ersetzen und die Übereinstimmung des Spielzeugs mit den Anforderungen der neuen EU-Spielzeugverordnung erklären. Er wird vom Hersteller über einen Datenträger (z.B. einen QR-Code) zugänglich gemacht und muss für den Verbraucher deutlich sichtbar sein.

Der Produktpass enthält u.a. einen eindeutigen Produktidentifizierungscode, Name und Kontaktanschrift des Herstellers, Daten des verantwortlichen Wirtschaftsakteurs, Zolltarifnummer und CE-Kennzeichnung des Spielzeugs sowie eine Auflistung aller Rechtsvorschriften der Union, denen das Spielzeug entspricht. Ferner soll er alle im Spielzeug enthaltenen bedenklichen Stoffe („substances of concern“) auflisten.

II. Herstellerkennzeichnung bzw. Verbraucherinformation

Daneben müssen Hersteller und Einführer künftig eine E-Mail-Adresse und Telefonnummer angeben sowie einen Bereich auf ihrer Webseite zur Verfügung stellen, über den sich Verbraucher wegen sicherheitsrelevanter Beschwerden an die Hersteller wenden können. Einführer müssen die Einhaltung dieser Anforderungen überprüfen und erforderlichenfalls nachbessern.

III. Behördliche Meldepflichten und Vorgaben zu Produktrückrufen

Maßgebliche Erweiterungen der Pflichtenkataloge ergeben sich darüber hinaus aus den Regelungen der neuen europäischen Produktsicherheitsverordnung (EU) 2023/988, auf die der Kommissionsentwurf der EU-Spielzeugverordnung Bezug nimmt. Für Spielwaren sind dabei folgende, ab 13.12.2024 geltende Neuerungen hervorzuheben:

  • Verpflichtung der Wirtschaftsakteure, die zuständigen Marktüberwachungsbehörden über ihnen bekannte Unfälle in Bezug auf bereitgestellte Spielzeuge zu informieren;
  • Verpflichtung der verantwortlichen Unternehmen, bei der Durchführung von Produktrückrufen diverse Entschädigungsmaßnahmen wie z.B. kostenlose Reparaturen anzubieten – unabhängig vom Alter des Spielzeugs;
  • Neue detaillierte Vorgaben für die konkrete Ausgestaltung von Rückrufen und vergleichbaren Maßnahmen, z.B. Verbot von Formulierungen wie „freiwillig“, „vorsorglich“, „in seltenen Situationen“ etc.

IV. CE-Kennzeichnung und Warnhinweise

Die CE-Kennzeichnung muss künftig immer auch auf der Produktverpackung angebracht werden, wenn sie andernfalls von außen nicht erkennbar wäre. Außerdem müssen erforderliche Warnhinweise, insbesondere der sog. Kleinstkinderalterswarnhinweis, hinter der CE-Kennzeichnung platziert werden. Das Wort „Achtung“ muss den Warnhinweisen nicht mehr vorangestellt werden. An dessen Stelle tritt künftig das in Anhang III Nr. 1 skizzierte Piktogramm (schwarzes Ausrufezeichen in rotem Dreieck).

V. Sicherheitsanforderungen und Sicherheitsbewertung

Die allgemeine Sicherheitsanforderung wird um die psychologische und geistige Gesundheit sowie um das Wohlbefinden und die kognitive Entwicklung von Kindern ergänzt. Die in Anhang Teil III geregelten chemischen Anforderungen werden verschärft, indem u.a. das Verbot der Verwendung von CMR-Stoffen um endokrine Disruptoren, Stoffe, die die Atemwege sensibilisieren, sowie um Stoffe, die für bestimmte Organe giftig sind, erweitert wird. Gleichzeitig werden die chemischen Anforderungen aber etwas einfacher geregelt und mit Ausnahmen versehen, etwa für Spielzeuge, bei denen mit Blick auf deren vorhersehbare Verwendung eindeutig jede Gefahr ausgeschlossen werden kann.

In Bezug auf chemische Gefahren muss künftig nicht nur die mögliche Exposition gegenüber einzelnen Chemikalien, sondern auch die zusätzliche Gefahr durch die kombinierte Exposition mehrerer chemischer Stoffe berücksichtigt werden. Die Sicherheitsbewertung muss regelmäßig aktualisiert werden.

VII. Fazit und Ausblick

Die Unternehmen der Spielwarenbranche sollten sich mit den Neuerungen der kommenden EU-Spielzeugverordnung frühzeitig vertraut machen. Insbesondere die Umsetzung des digitalen Produktpasses, aber auch die Verschärfung der sicherheitstechnischen Anforderungen werden Ressourcen binden. Außerdem dürften sich die sehr weitreichenden neuen Regelungen zur Durchführung von Produktrückrufen auf den Preis von Spielwaren auswirken. Die Hersteller werden die damit verbundenen Kosten frühzeitig einkalkulieren müssen.


Dr. Arun Kapoor ist Rechtsanwalt und Partner sowie Co-Leiter des Bereiches Produkthaftung & Product Compliance bei der Kanzlei Noerr. Er ist darüber hinaus Mitglied des Herausgeberbeirats der ZfPC und Autor im Formularbuch Product Compliance, das im kommenden Jahr im Nomos Verlag erscheinen wird.