Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR)

22.05.2023

Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR)

Gastbeitrag von Dr. Gerhard Wiebe

Beitrag von Dr. Gerhard Wiebe

Am 25.4.2023 hat der Rat den Text der neuen EU-Produktsicherheitsverordnung (General Product Safety Regulation – GPSR) angenommen. Als Nachfolgerechtsakt der Richtlinie 2001/95/EG (sog. Allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie) legt die GPSR den Rahmen für die Sicherheit von nicht-harmonisierten Verbraucherprodukten fest und gilt in Teilen auch für den harmonisierten Bereich. Im Einzelnen sind folgende Neuerungen und Besonderheiten hervorzuheben:

I. Persönlicher Anwendungsbereich

Der Fulfilment-Dienstleister i.S.d. Art. 3 Nr. 12 GPSR zählt gemäß Art. 3 Nr. 13 GPSR zu den Wirtschaftsakteuren. Allerdings legt die GPSR (im Unterschied zu § 6 Abs. 6 ProdSG) keine spezifischen Pflichten des Fulfilment-Dienstleisters fest. Neu ist auch die Einbeziehung von Anbietern von Online-Marktplätzen in den persönlichen Anwendungsbereich.

II. Neue Beurteilungskriterien für die Sicherheit von Produkten

Art. 6 GPSR verankert neue Kriterien für die Beurteilung der Sicherheit von Produkten. Dabei wurde erkennbar ein besonderes Augenmerk auf Elemente bei smarten Produkten gelegt, wie etwa Cybersicherheitsmerkmale sowie lernende und prädikative Produktfunktionen.

III. Interne Risikoanalyse

Die Hersteller trifft die Pflicht, eine interne Risikoanalyse durchzuführen und technische Unterlagen zu erstellen, die mindestens eine allgemeine Beschreibung des Produkts und seiner für die Sicherheitsbewertung relevanten wesentlichen Eigenschaften enthalten (Art. 9 Abs. 2 GPSR). Diese Pflicht gilt für ausnahmslos jedes Produkt.

IV. Wesentliche Produktveränderung

In Anlehnung an den Kriterien im Blue Guide gibt Art. 13 Abs. 3 GPSR dem Rechtsanwender Kriterien zur Feststellung einer wesentlichen Produktveränderung, wodurch die Stellung als Hersteller begründet wird, an die Hand.

V. EU-Wirtschaftsakteur

Künftig ist die Verkehrsfähigkeit auch von nicht-harmonisierten Verbraucherprodukten an die Existenz eines sog. EU-Wirtschaftsakteurs gekoppelt (Art. 16 GPSR). Den EU-Wirtschaftsakteur, der regelmäßig der Einführer bei Produkten aus EU-Drittländer ist, treffen Prüf- und Kennzeichnungspflichten.

VI. Meldepflichten bei Unfällen

Art. 20 GPSR statuiert Meldepflichten der Wirtschaftsakteure bei Unfällen. Vorrangig muss der Hersteller einen produktbedingten Unfall, der zum Tod oder zu Gesundheitsnachteilen führt, unverzüglich den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates melden, in dem sich der Unfall ereignet hat.

VII. Fernabsatz

Verbraucherprodukte gelten nach der GPSR schon dann als auf dem Markt bereitgestellt, wenn sie online oder über andere Fernabsatzwege Verbrauchern in der Union zum Verkauf angeboten werden (Art. 4 GPSR). Daran knüpfen besondere Informationspflichten gemäß Art. 19 GPSR an, die schon im Zeitpunkt des Fernabsatzangebots des Produkts erfüllt sein müssen. Zudem erlegt Art. 22 GPSR den Anbietern von Online-Marktplätzen umfangreiche Pflichten auf.

VIII. Verbraucherunterrichtung

Die Wirtschaftsakteure müssen gem. Art. 35 GPSR sicherstellen, dass alle betroffenen ermittelbaren Verbraucher direkt und unverzüglich über Produktrückrufe und andere sicherheitsrelevante Themen informiert werden. Daran anschließend stellt Art. 36 GPSR detaillierte Anforderungen an den Inhalt und das Format einer verbraucheradressierten Rückrufanzeige auf.

IX. Abhilfepflichten im Falle des Rückrufs

Obwohl von der Wirtschaft heftig kritisiert, wurde die Regelung des Art. 37 GPSR beibehalten. Unbeschadet zivilrechtlicher Ansprüche muss der für den Rückruf verantwortliche Wirtschaftsakteur den betroffenen Verbrauchern proaktiv mindestens zwei Abhilfemaßnahmen (Ersatz, Reparatur oder Erstattung) kostenlos anbieten.

X. Ausblick

Am zwanzigsten Tag nach der bevorstehenden Veröffentlichung im EU-Amtsblatt tritt die GPSR in Kraft. Nach einem Übergangszeitraum von 18 Monaten gilt sie sodann unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die GPSR löst einen Anpassungsbedarf des ProdSG aus, dessen Anwendungsbereich sich künftig auf nicht-harmonisierte B2B-Produkte konzentrieren wird.


Der Autor ist Rechtsanwalt in der Produktkanzlei in Berlin. Gemeinsam mit seinen Kollegen bloggt er unter https://www.produktkanzlei.com/blog/. Dr. Gerhard Wiebe wird – jeweils gemeinsam mit Dr. Carsten Schucht – einen Einführungsband zur EU-Produktsicherheitsverordnung verfassen sowie einen Handkommentar zur EU-Produktsicherheitsverordnung herausgeben, die beide im Nomos Verlag erscheinen werden.