Sport – Arzt – Haftung

05.12.2024

Sport – Arzt – Haftung

Von Dr. Benjamin Münnich

Leistungswunsch und Leistungsdruck bilden die Grundlage für beeindruckende sportliche Erfolge. Doch diese Kombination hat auch eine Kehrseite: Leistungssportler riskieren im Wettkampf und im Training oft genug ihre Gesundheit. Dieser Konflikt zwischen Sport und Gesundheit betrifft nicht nur den sportlichen Einsatz selbst, sondern auch die medizinische Betreuung. Häufig lehnen Leistungssportler medizinisch indizierte Behandlungen und die damit verbundenen Sportpausen ab. Umgekehrt lassen Leistungssportler manchmal nicht notwendige oder sogar schädliche Behandlungen zu, um ihre Leistungsfähigkeit zu bewahren oder zu steigern (wie z.B. durch sog. „Fitspritzen“).

 

Der Wunsch von Leistungssportlern, möglichst schnell wieder leistungsfähig zu sein, steht der ärztlichen Behandlungspflicht, den Patienten möglichst risikoarm zu behandeln, nicht selten diametral gegenüber. Der Vereins- oder Verbandsarzt hat dabei die schwierige Aufgabe, mögliche gesundheitsschädliche Folgen mit dem Ziel der Leistungsfähigkeit abzuwägen. Hieraus resultiert auch arzthaftungsrechtlich ein Spannungsverhältnis, welches der Kern der Dissertation „Sport – Arzt – Haftung“ des Verfassers ist.

Arzthaftungsrechtliche Beurteilung von „Fitspritzen“ und Co.

Auch im Rahmen der medizinischen Betreuung von Leistungssportler müssen medizinische Behandlungen nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards erfolgen, § 630a Abs. 2 BGB. Ausgehend von der Rechtsprechung des BGH zur standardgemäßen Therapiewahl sind leistungswiederherstellende Behandlungen, wie das „Fitspritzen“, nicht behandlungsfehlerhaft, wenn sie medizinisch vertretbar sind – das gilt, obwohl sie keinen Heilzweck haben. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie nicht absolut kontraindiziert sind und relative Indikationsgründe die medizinischen Bedenken überwiegen. Wichtig ist, dass auch die Verletzungsrisiken des sportlichen Einsatzes im Rahmen der Therapiewahl mitberücksichtigt werden müssen.

Einschätzung der sportlichen Einsatzfähigkeit als Grundlage

Basis für die Therapiewahl ist damit auch die Einschätzung der sportlichen Einsatzfähigkeit des Sportlers. Dabei sind Risiken und Chancen einer sportlichen Tätigkeit abzuwägen. Der dem zugrunde liegende Beurteilungsprozess ist arzthaftungsrechtlich bislang nicht eingeordnet worden und im Übrigen nicht standardisiert. Gerade dies verpflichtet den Vereins- oder Verbandsarzt zu einer erhöhten Sorgfalt. Im Ergebnis zeigt sich: Die Entscheidung über den sportlichen Einsatz eines Leistungssportlers ist in drei Schritten zu treffen.

Der erste Schritt besteht in einer Bewertung des Gesundheitszustands des Leistungssportlers – dieser Prozess entspricht einer medizinischen Diagnose. Hierauf aufbauend ist in einem zweiten Schritt das spezifische Risiko der sportlichen Betätigung zu evaluieren. Schließlich können in engen Grenzen – nämlich solange der sportliche Einsatz nicht unvertretbar oder grenzwertig ist – auch nicht medizinische Kofaktoren berücksichtigt werden.

Auswirkung auf Aufklärungspflichten

Die leistungswiederherstellende Behandlung und die Beurteilung der Einsatzfähigkeit des Athleten können die aus §§ 630c, 630e BGB resultierenden Aufklärungspflichten des Arztes erweitern. In diesem Zusammenhang müssen nämlich nicht nur Chancen und Risiken der Behandlung, sondern auch das Ausmaß der Risiken des sportlichen Einsatzes erläutert werden.

Schadenersatz bei riskanten Sporteinsätzen und Behandlungen?

Sportverletzungen und damit einhergehende Sportpausen können im Spitzen- und Profisport erhebliche finanziellen Folgen haben. Ein Gesundheitsschaden aufgrund einer vorwerfbaren Fehleinschätzung der Einsatzfähigkeit des Arztes oder aufgrund einer medizinisch unvertretbaren leistungswiederherstellenden Behandlung kann zu einem Schadenersatzanspruch des Leistungssportlers gegen den Vereins- oder Verbandsarzt führen (§ 280 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB). Das gilt auch dann, wenn der Gesundheitsschaden erst durch eine (weitere) Sportverletzung entsteht. Der Arzt haftet jedoch nicht, wenn die Verletzung unabhängig von der behandelten Verletzung ist. Dies trifft – orientiert an der Herausforderungsformel des BGH – zu, wenn ein allgemeines Sportverletzungsrisiko eintritt oder die Verletzung durch einen groben Regelverstoß eines anderen Sportlers verursacht wird.

 

 

Dr. Benjamin Münnich ist ehemaliger Athlet der Judo Nationalmannschaft und als Rechtsanwalt bei CMS Hasche Sigle in Köln im Arbeitsrecht tätig. Er promovierte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Prof. Dr. Katharina Lugani) zu dem Thema „Sport – Arzt – Haftung“. Seine Dissertation erscheint in Kürze im Nomos Verlag in der Reihe “Schriften zum Sportrecht, Bd. 72”.