Vertragsstrafen für Profifußballer bei „Streik“?

27.09.2023

Vertragsstrafen für Profifußballer bei „Streik“, um einen Vereinswechsel zu erzwingen?

Prof. Dr. Martin Maties schreibt für den Praxis-Newsletter Sportrecht

Beitrag von Prof. Dr. Martin Maties

Was haben die Fälle Kolo Muani (2023), Ousmane Dembélé (2017), Pierre-Emerick Aubameyang (2018), Luka Modric (2012), Anthony Yeboah (1994), Heiko Herrlich (1995) und Filip Kostic (2021) gemeinsam? Alle Spieler haben – kurz vor Schluss des Transferfensters – ihren Vereinen gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass sie ihren Arbeitsvertrag im Sinne des § 611a BGB nicht oder nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen wollen/werden. Auf diese Art und Weise sollte Druck auf den Arbeitgeber (den abgebenden Verein) ausgeübt werden, um einem Transfer zu einem neuen Arbeitgeber (dem „kaufenden“ Verein) zuzustimmen. Bei fast allen Spielern – bis auf Filip Kostic – hat dies auch den vom Spieler gewünschten Erfolg gehabt.

Pflichtverletzung durch (Androhung einer) Arbeitsverweigerung

Bei einer Arbeitsverweigerung oder auch der Androhung einer Arbeitsverweigerung („Nie wieder in diesem Trikot“, so Randal Kolo Muani) handelt es sich um eine Verletzung der Hauptleistungspflicht gemäß § 611a Abs. 1 BGB bzw. bei der Androhung um eine Verletzung einer Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Aufgrund dessen ist es klar, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat, dieses Verhalten zu unterbinden und gegebenenfalls mit einer Vertragsstrafe zu bewähren.

Zulässigkeit einer Vertragsstrafe nach der Rechtsprechung des BAG

Entgegen § 309 Nr. 6 BGB ist im Arbeitsrecht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine Vertragsstrafe aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 S. 2 BGB zulässig. Allerdings findet eine Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen sowie eine Transparenzkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB statt.

Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer sich vom Vertrag lösen möchte, ist durch die ständige Rechtsprechung des BAG anerkannt, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat, eine Vertragsstrafe für das schuldhafte Lösen vom Vertrag vorzusehen. Bisher orientiert sich die Rechtsprechung stets an der Höhe des Verdienstes, der anfallen würde, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung bis zum Ende des Vertrags (typischerweise Kündigungsfrist) erbringen würde. Mit Blick auf die ordentliche Kündbarkeit gemäß § 622 Abs. 1 BGB wird oftmals verkürzt von einem Bruttomonatsgehalt gesprochen. Richtigerweise staffelt sich die maximale Vertragsstrafenhöhe nach der Anzahl der Monate, die die Kündigungsfrist wäre, multipliziert mit dem Bruttomonatsgehalt. Denn diese Zeitspanne kombiniert mit dem Bruttomonatsgehalt sei „ein geeigneter Maßstab, um den Wert der Arbeitsleistung festzustellen“ (BAG v. 20.10.2022 – 8 AZR 332/21 Rn. 49). Dem ist grundsätzlich auch zuzustimmen.

Besonderheiten im Profifußball

Im Bereich des Profifußballs kommen jedoch Faktoren hinzu: Zum einen ist der Arbeitsvertrag gemäß § 15 Abs. 4 TzBfG grundsätzlich nicht ordentlich kündbar und zum anderen kann sich die Arbeitsleistung im Laufe der Vertragsdauer aufgrund des Marktwerts des Spielers massiv erhöhen. Folglich kann einerseits die komplette Restlaufzeit des Vertrags multipliziert mit dem entsprechenden Bruttogehalt als Vertragsstrafe verwirkt werden und andererseits der Wert der Arbeitsleistung sowohl durch die persönliche Entwicklung des Spielers als auch die Entwicklung des Transfermarkts massiv verändert sein.

Höhere Vertragsstrafe für Profifußballer?

Aufgrund dessen kann es angezeigt sein, eine höhere Vertragsstrafe für Profifußballer vorzusehen. Wenn man nun berücksichtigt, dass die Entwicklung des Transfermarkts im Fußball rasant und das Interesse eines Vereins als Arbeitgeber ist, dass der Arbeitnehmer bis zum Ablauf des befristeten Vertrags im Verein bleibt oder alternativ zumindest eine hohe Ablösesumme einbringt, schädigt das Verhalten eines „streikenden“ Arbeitnehmers den Arbeitgeber nicht nur sportlich, sondern vor allem auch wirtschaftlich. Aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers ist der potenzielle neue Arbeitgeber nicht mehr bereit, die Ablösesumme zu zahlen, die er ohne das Verhalten des Arbeitnehmers gezahlt hätte. Sofern man diese Summe als entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB ansehen kann, müsste der Spieler diesen Schaden gemäß § 280 Abs. 1 BGB ersetzen. Da diese Summe jedoch in der Praxis nicht bezifferbar ist, besteht ein berechtigtes Interesse, eine pauschale Schadensersatzvereinbarung in Form einer Vertragsstrafe vorzunehmen. Diese Summe muss jedoch angemessen sein und der Fall der Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer hinreichend transparent in die Vertragsstrafenvereinbarung eingehen.

Fazit

Aufgrund dessen ist es meines Erachtens denkbar und für die Praxis auch wünschenswert, wenn Fußballvereine Vertragsstrafen für den Fall der sogenannten „streikenden Profis“ vorsehen und hierfür bereits bei Vertragsschluss eine angemessene Vertragsstrafe der Höhe nach vereinbaren.


Prof. Dr. Martin Maties ist Inhaber der Professur für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht sowie Methodenlehre an der Universität Augsburg. Zudem ist er dort Leiter der Forschungsstelle für eSport-Recht. Er ist unter anderem Herausgeber des gerade erschienenen StichwortKommentars eSport-Recht und Mitglied des Herausgeberbeirats der SpoPrax.