Wird Friedrich Merz der eSport-Kanzler?

17.04.2025

Wird Friedrich Merz der eSport-Kanzler?

Sportrecht 04-2025 Woerlein Andreas

Von Dr. Andreas H. Woerlein

Überraschend deutlich bekannte sich das Kabinett Merkel IV 2018 in seinem Koalitionsvertrag zur nationalen eSport-Szene. Die damalige Große Koalition wollte „die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland“ und den eSport selbst als „eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsstruktur anerkennen“. Sogar bei der „Schaffung einer olympischen Perspektive“ wollte man „unterstützen“. Und obgleich in dieser Zeit mit § 22 Nr. 5 BeschV und § 15 Abs. 3 RennwLottDV die bis heute einzigen nennenswerten eSport-Kodifikationen der nationalen Rechtsordnung geschaffen wurden, kam es nie zu einer Umsetzung der im Koalitionsvertrag festgelegten Bekenntnisse.
 

Verhaltener, aber unbeirrt optimistisch, warb auch Amtsnachfolger Olaf Scholz 2021 in seinem Koalitionspapier für die Gemeinnützigkeit des eSports und eine Stärkung des nationalen Games-Standortes. Beides konnte von der Ampel – trotz vereinzelter Teilerfolge – nicht erzielt werden. Kritisch könnte man auch bilanzieren, dass die Frage der Gemeinnützigkeit des eSports im politischen Berlin in den letzten Jahren zu einem „Running Gag“ verkommen ist, auf den gelegentlich angespielt wird, um für junge Wähler nahbar zu wirken. Gleichzeitig sah sich der Games-Standort Deutschland in den vergangenen Jahren umstrittenen Förderrichtlinien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie einer, die gesamte Branche unter Generalverdacht stellende, Debatte um In-Game-Käufe ausgesetzt. Und obgleich Lootboxen und eSport keine nennenswerte Schnittmenge aufweisen, war die Debatte für die Gemeinnützigkeit des eSports zumindest nicht förderlich.
 

Ob die künftige Bundesregierung ihr im Koalitionsvertrag erneuertes Versprechen zur Gemeinnützigkeit des eSports (vgl. Zeile 3766 des Koalitionsvertrages) ernst nehmen wird, wie mögliche rechtliche Vorgaben die Branche selbst verändern werden und ob Friedrich Merz womöglich zum eSport-Kanzler avanciert, all das ist ungewiss. Gewiss hingegen ist die Existenz einer Chance, die das neue Bundeskabinett auch beim Thema eSport hat. Selbstverständlich liegt der Verdacht nahe, dass der 69-jährige Unionspolitiker Merz den eSport nicht zu einem zentralen Thema seiner Regierung machen wird – was angesichts der (inter-)nationalen politischen Lage auch durchaus nachvollziehbar ist.
 

Dennoch gibt es sowohl in der Union als auch in der SPD politische Köpfe, denen eine baldige Umsetzung der alten und neuen Versprechen zuzutrauen ist. Hinzu kommt, dass der Gesetzesentwurf für eine punktuelle Novellierung des § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO bereits auf dem Tisch liegt und der eSport-Bund Deutschland e.V. (ESBD) auf seiner Mitgliederversammlung im Dezember 2024 eine Begriffsbestimmung beschlossen hat, die aus rechtlicher Sicht als Legaldefinition tauglich ist. Bei der olympischen Perspektive hat sich nun auch ohne Mithilfe der Bundespolitik eine Chance eröffnet. Doch auch hier gilt es, als künftige Bundesregierung begleitend zu unterstützen, damit der nationale eSport auch international an Bedeutung gewinnen kann.
 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die politischen Versäumnisse der letzten Großen Koalition in dieser Legislatur nachgeholt werden können. Branchendialoge wurden in den vergangenen Jahren genug geführt. Die für die Gemeinnützigkeit des eSports künftig legislativ Verantwortlichen sind sich inhaltlich einig und müssen diese Einigkeit nun ins Ziel bringen. Denn die damit einhergehende Entlastung für die nationale eSport-Szene hätte zur Konsequenz, dass endlich das Potential ausgeschöpft werden kann, das uns andere Länder seit Jahren attestieren.

 

 

Dr. Andreas H. Woerlein, LL.M. ist Rechtsanwalt bei Melchers im Gaming- und eSport-Recht in Frankfurt am Main. Gemeinsam mit Prof. Dr. Margrit Seckelmann, M.A. gründete er 2021 das Kompetenzzentrum eSport der Leibniz Universität Hannover und ist mit ihr Herausgeber der gleichnamigen Schriftenreihe im Nomos-Verlag.